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Kornsandgedenkstunde am Dienstag, 21. März 2023

Das Bild zeigt den Gedenkstein mit Blumenkränzen und mehrere Blumengestecke
Auf dem Bild steht Jochen Engel am Mikrophon und hält eine Rede zum Gedenktag

Am 21. März 1945 - vor 78 Jahren und kurz vor dem Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft - wurden auf dem Kornsand sechs unschuldige Menschen denunziert, brutal misshandelt, verurteilt und durch Genickschuss getötet: Cerry und Johann Eller, Jakob Schuch, Nikolaus Lerch, Georg Eberhardt aus Nierstein und Rudolf Gruber aus Oppenheim.

Die Sozialdemokraten Cerry und Johann Eller sowie der frühere Reichsbannerführer Jakob Schuch und die Kommunisten Georg Eberhardt, Nikolaus Lerch und Ludwig Ebling, die den Mut und die Größe hatten, ihre politische Auffassung und Haltung gegen die Nazi-Diktatur öffentlich kundzutun, wurden am Abend des 18. März wegen angeblicher Aufwiegelei und weil sie Kommunisten seien, verhaftet. Von Nierstein aus wurden sie mit der Fähre über den Rhein befördert, zunächst nach Wolfskehlen gefahren und weiter zu Fuß nach Groß-Gerau gebracht.

Nach zwei Tagen und Nächten in der Polizeiwache Groß-Gerau wurden sie am Morgen des 21. März wieder freigelassen. Ein Entlassungsschein wurde nicht ausgestellt. Sie machten sich auf den Weg zum Kornsand, um mit der Fähre zurück nach Nierstein überzufahren.

Die Überfahrt wurde jedoch durch den jungen Leutnant Funk aus Nierstein verhindert. Er erklärte dem 18-jährigen Hans Kaiser, ebenfalls Leutnant der Nazi-Wehrmacht, dass es sich hier um "die größten politischen Verbrecher von Nierstein" handle.

Auch der Volkssturmmann Rudolf Gruber aus Oppenheim, der noch einmal zurück nach Oppenheim wollte, um in einem Gasthof vergessene Rucksäcke zu holen, wurde wegen des Vorwurfs der Fahnenflucht zu den Niersteinern auf den Hof des Fährhauses gebracht.

Leutnant Alfred Schniering sprach mit Kaiser über eine Exekution der sechs Menschen und gab gegen 14 Uhr den Befehl, die Erschießung anzuordnen. Die Gefangenen mussten zunächst unter Bewachung ihre Gräber selbst ausschaufeln. Drei der Gefangenen, Johann Eller, Jakob Schuch und Nikolaus Lerch wurden zudem körperlich misshandelt.

Vergeblich versuchte er, Soldaten, Offiziere, Männer des Volkssturms und einer politischen Staffel zu überreden, die Tötung durchzuführen. Lediglich Leutnant Hans Kaiser erklärte sich bereit, die Exekution zu übernehmen und erschoss die sechs Menschen mit einem Genickschuss.

Erst fünf Jahre später beschäftigen sich die Gerichte mit diesen Morden. Am 24. September 1949 werden die Urteile gesprochen: Schniering als treibende Kraft der Mordtat erhält eine lebenslängliche Zuchthausstrafe. Kaiser wird zu zehn Jahren verurteilt. Gegen Leutnant Heinrich Funk wurde erst 1950 der Prozess gemacht, da er fünf Jahre untergetaucht war. Ihm wurden Denunzierung, Tötung durch Fahrlässigkeit, Unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Er wird lediglich zu drei Jahren Haft Verurteilt. 1953 wird dieses Strafmaß auf elf Monate reduziert.

Weil dieses Verbrechen symbolisch für die Unmenschlichkeit und Rohheit der Nazi-Diktatur steht, wurde im Jahr 1954 der Gedenkstein hier am Kornsand errichtet.

Auch am 21. März 2023 fand das jährliche Gedenken an diese Tat statt. Johanna Stein, Sprecherin des Arbeitskreises Kornsand, begrüßte die rund 100 Bürgerinnen und Bürger und moderierte durch die Veranstaltung.

„Mit dieser Erinnerung geben wir den Opfern die Würde zurück, die ihnen genommen wurde“, sagte Bürgermeister Jochen Engel in seiner Rede.

Er erinnerte daran, dass Kriegsverbrechen nicht Geschichte, sondern Gegenwart sind. „In diesen Minuten erleben Menschen genau diese Situationen: in Syrien, im Iran, in Afghanistan, in der Ukraine und vielen anderen Ländern dieser Welt.“ Er mahnte, trotz der täglichen negativen Nachrichten, die uns allen zusetzen, nicht wegzuschauen oder nicht hinzuhören. „Wenn wir das tun, geben wir uns selbst auf.“

Hendrik Drechsler, Haus des Erinnerns Mainz, Referent für Bildung und Gedenkstättenfahrten, übernahm die Ansprache von Dr. Cornelia Dold, Historikerin und Leiterin des Hauses des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz, die aus privaten Gründen die Einladung nicht wahrnehmen konnte.

Oppenheims Bürgermeisterin Silke Rautenberg, Jochen Schmitt, Bürgermeister von Nierstein sowie Jochen Engel gedachten der sechs Opfer des Kornsandverbrechens.

Der Gemischte Chor Frohsinn übernahm die musikalische Gestaltung der Gedenkstunde.

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