Hintergrundbild

Neue Flugrouten: Maßnahmepaket Aktiver Schallschutz

Gemeinsame Erklärung der Kreisstadt Groß-Gerau sowie der Kommunen Nauheim und Trebur zum Hearing der Fluglärmkommission 15. September 2010

Thema: Erstes Maßnahmenpaket „Aktiver Schallschutz“ Forum Flughafen und Region

Bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, sehen wir uns nicht in der Lage, dem vorliegenden „Anti-Fluglärmpaket" zuzustimmen. Es kann nicht abgeschätzt werden, ob die jetzigen Maßnahmen für unsere Kommunen zumutbar sind.

Nach dem derzeitigen Stand greifen sie zu kurz und bewegen sich in die falsche Richtung. Seit mehr als dreißig Jahren wird der Frankfurter Flughafen erweitert und ausgebaut. In diesen Zusammenhang des permanenten Wachstums des Frankfurter Flughafens gilt es nun, das „I. Maßnahmenpaket zum aktiven Schallschutz" des Forums Flughafen und Region einzuordnen.

1. Das „Maßnahmenpaket zum aktiven Schallschutz" sieht eine Umverteilung des Lärms vor, um vor allem sog. „Hochbetroffene“ zu entlasten. Das bedeutet Fluglärmentlastungen für die einen und zusätzliche Belastungen für die anderen. Die anderen, das sind vor allem bisher nicht oder nur gering von Fluglärm belastete Orte und Regionen. So werden Nauheim und in der Folge Groß-Gerau Nord sowie Trebur neu belastet und zwar in doppelter Hinsicht.

Von Seiten der Experten hält man es zum einen offensichtlich für hinnehmbar,

a) dass es zusätzlich zum Ausbaufall für Groß-Gerau Nord und Nauheim durch die Optimierung beim Betriebsrichtungswechsel mit zusätzlichen Westwindtagen zusätzliche Flugbewegungen und damit eine Mehrbelastung geben wird;

b) dass für die Maßnahme „Dedicated Runway Operations" zusätzlich zur ausbaubedingten Mehrbelastung von 14 dB (A) eine weitere Lärmzunahme um 1,5 dB (A) erzeugt wird,

c) für Trebur der, im Probebetrieb zwar als gering anzusehende, im Dauerbetrieb aber sehr wohl zu einer weiteren Lärmbelastung führende Segmented RNAV (GPS) Approach - Betriebsrichtung 07, Anflug aus dem Westen - lärmerhöhend hinzukommt.

Nach Auskunft von Fraport sollen achtzig Prozent der zwölf Airlines diesen Flug durchführen können. Bei diesem Anflugverfahren ist die Streuweite, also die Abweichung von der ldealfluglinie nach Auskunft von Fraport größer. Davon werden die Rheinanlieger ab Eindrehung bei Oppenheim, darunter die zur Gemeinde Trebur gehörenden Orte Geinsheim, Kornsand und Hessenaue betroffen sein.

Bisher ist nicht abzusehen, wie diese neue Route nach dem Probelauf genutzt wird. Zwar sollen die Maschinen Trebur in 3.300 Fuß Höhe (1.100 Meter) überfliegen, wir befürchten jedoch, dass es zu niedrigeren Überflügen beim Anflug über den Rhein und damit zu weiteren Lärmbelastungen unserer Kommunen kommen wird.

Hinzu kommt zum zweiten die Belastung durch den Ausbau, da künftig im Südwesten des Flughafens eine neue Hauptabflugrichtung liegen wird. Die neue Flugroute Masir /Tabum wird für die Kommunen das Vielfache des bisherigen Fluglärms bringen - bis zu 14 dB(A) liegt die Steigerung am Tag. Eine derartige Lärmzunahme lässt sich nirgendwo anders in der Region festzustellen.

Nach dem Maßnahmenpaket sollen nun noch weitere Belastungen für unsere Kommunen hinzukommen. In Nauheim sollen am Tag rund 300 Hochbetroffene hinzukommen, in der Nacht rund 2.400 EEG-AWR (EEG-Aufweckreaktionen). In Groß-Gerau kommen immerhin rund 1.000 EEG-AWR hinzu und in Trebur am Tag 150 HA (hoch Belästigte, Quelle: Bericht Expertengremium, Abbildungen 23, 31, 32, 40 U. 41). Dies bedeutet in der Tendenz eine unzumutbare Steigerung der ausbaubedingten Lärmzunahme. Von daher geben wir den dringenden Hinweis, das Maßnahmenpaket dahingehend zu überarbeiten, dass eine Tendenz zur Erhöhung der lndexpunkte in unseren Kommunen ausgeschlossen wird.

Ferner halten wir eine wissenschaftliche Begleitung des Probebetriebes bezüglich einer nunmehr räumlich ausgedehnten zusätzlichen Lärmbelastung für die Stadt Groß-Gerau und die Gemeinden Nauheim und Trebur für notwendig. Es sollte auch geregelt werden, ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang diese Begleitung (Lärmmonitoring für zusätzlich belastete Kommunen) erfolgen wird und wer sie finanziert.

2. Mit dem Vorstehenden ist nicht nur die Unzulänglichkeit eines derartigen Maßnahmenpaketes in seiner jetzigen Konfiguration greifbar. Nein, schon der Ansatz ist verfehlt, da er ausschließlich auf Lärmverteilung setzt. Ein „Anti-Fluglärmpaket" müsste sich beim Thema der Verteilung des Fluglärms in der Region vielmehr zuerst mit der Frage befassen, wie viel Wachstum des Flughafens den Anliegern zugemutet werden kann und an welchem Punkt auf Grund kollidierender Interessen dem Flughafen selbst die Beschränkung seines Wachstums auferlegt werden kann und muss.

Dazu wäre als erstes die Abflugstrecke zwischen Nauheim und Königstädten Masir / Tabum zu überprüfen. Zu diesem Abflugverfahren hatte sich bereits im September 2000 der Fluglärmschutzbeauftragte des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt geäußert: „ … ich teile Ihre Bedenken hinsichtlich der als Rohentwurf dargestellten Abflugstrecke im Zusammenhang mit der Ausbauvariante Nordbahn im Kelsterbacher Wald, zumal praktisch keine Lücke zwischen Rüsselsheim-Königstädten und Nauheim besteht." Dennoch befindet sich die Abflugroute zwischen Nauheim und Königstädten noch heute in den Planungsunterlagen. In diesem Zusammenhang wäre unter Einbeziehung des BMV zu prüfen, welche Möglichkeiten sich aus einer Modifizierung des Fehlanflugverfahrens für die neue Landebahn bei Westbetrieb ergeben würden.

3. Schließlich sollte wesentlich nachhaltiger als bisher vorgesehen verhindert werden, dass eine Lärmentlastung zu weniger Entschädigungsansprüchen führt oder durch steigende Flugbewegungszahlen in der Zukunft wieder kompensiert wird. Daher ist es dringend erforderlich, das Problem der Kompensation positiver Effekte von aktiven Lärmschutzmaßnahmen durch Verkehrszunahme am Tag und ggf. in der Nacht zu untersuchen und seinerseits einer Lösung durch aktive Maßnahmen und / oder planerische Instrumente zuzuführen. So begrüßenswert Lärmpausen in der Nacht sein mögen (Maßnahme 5); nur ein konsequentes Nachtflugverbot und eine klare Beschränkung in den Nachtrandstunden kann sicherstellen, dass in der Nacht keine zusätzliche Belastung aus einem Maßnahmenpaket entsteht.

Von daher sollten die geplanten Maßnahmen auf die Grundlage eines Nachtflugverbotes und einer Beschränkung auf 150 Flugbewegungen pro Nacht gestellt werden. Das Problem der Relation stellt sich auch hinsichtlich der Lärmschutzbereiche. Die aktiven Lärmschutzmaßnahmen sollten nicht dazu führen, dass die Entlasteten keine Entschädigung erhalten.